Im Jahr 1992 wurde für den Jugendchor der Traum wohl jeder Laienmusikgruppe wahr. Durch den Erfolg der erstmals 1990 aufgeführten Gospelmesse und weiterer Konzertaktivitäten wurde das Komitee des alljährlich in Kumamoto/Japan stattfindenden Internationalen Jugendmusik-Festivals auf die Sänger aufmerksam. Nachdem eigens aus Japan angereiste Sachverständige die Musiker bei der Probenarbeit begutachtet hatten, durften Kantor Karl Schmidt im darauffolgenden Herbst eine Einladung nach Ostasien entgegennehmen. Dem Abschiedskonzert in der Stadtkirche folgte Ende Juli der Start zu einer unvergesslichen zweiwöchigen Konzerttournee, bei der allen Teilnehmern schon kurz nach der Ankunft vor allem eines klar wurde: In diesem Land wird man eher als Gast denn als Tourist behandelt. Von Frankfurt aus hatte die Reise die 56 Teilnehmer zunächst nach Südkorea, in die Olympiastadt Seoul geführt. Eine Stadtrundfahrt durch die 11-Millionen-Metropole bot Gelegenheit zur ersten Kontaktaufnahme mit fernöstlicher Kultur, bevor man sich schließlich auf den Flug nach Japan machte.
Ziel war Kyushu, die drittgrößte der vier Hauptinseln Japans. Sie ist zugleich die südlichste der vier Hauptinseln und hat trotz eines kurzen Winters einen subtropischen, an manchen Stellen sogar tropischen Charakter.
Die erste Station der Reise war Kumamoto. Die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur, liegt in einem weiten, von hohen Bergen eingeschlossenen Talkessel. Dieser lässt im Sommer ein für Mitteleuropäer schwer zu ertragendes Treibhausklima entstehen.
Der Aufenthalt in dieser Stadt hielt für die Hersbrucker Gruppe einige musikalische Höhepunkte der Reise bereit. Einer dieser Höhepunkte war die Teilnahme an der Auftaktveranstaltung des Internationalen Jugendmusik-Festivals. Der Chor konnte hier mit anderen Teilnehmern aus Japan, England, Finnland, Kanada und den USA musizierten. Ein Standkonzert in der Fußgängerzone von Kumamoto, sowie sechs weitere Aufführungen in stets gut besuchten Konzertsälen zeigten, dass sich die intensive Probenarbeit der vergangenen Monate gelohnt hatte. Hersbruck auch auf der anderen Seite der Erde durch einen schönen Klang bekannt zu machen, gelang mit einem Repertoire aus Volks- und Kunstliedern, christlicher Musik und Evergreens. Mit dieser breitgefächerten Mischung konnte der Jugendchor das japanische Publikum schnell für sich gewinnen. Vor allem die Bläser-Gruppe verhalfen dem Chor schließlich mit zünftigen Klängen, wie dem ,,Zillertaler Hochzeitsmarsch“, zu einem großen Bekanntheitsgrad. Von den Hersbruckern animiert, fanden die lernfreudigen Japaner schon bald sichtlichen Spaß am Polka- und Walzertanzen.
Das wohl spektakulärste Konzertereignis, das auf der Aspecta, der größten Freilichtbühne der Welt, hatte stattfinden sollen, fiel aber leider buchstäblich ins Wasser. Ein das Land durchwirbelnder Taifun fesselte den Chor den ganzen Tag aus Sicherheitsgründen an ihre Unterkunft. Die Unterbringung der Chormitglieder in Gastfamilien verlieh dieser Reise einen ganz besonderen Reiz und brachte allen Teilnehmer den Lebensstil und vor allem die, für Europäer so fremden, Essgewohnheiten der Gastgeber noch näher. Gekochter Reis, der die Grundlage der japanischen Ernährung bildet, war wohl noch für alle Teilnehmer vertraut aus der heimischen Küche. Doch Spezialitäten wie Sushi, die aus gesäuertem, kalten Reis gefertigten Happen, die mit Seetang umwickelt werden oder Delikatessen, wie roher Fisch, den man vor dem Verzehr in Sojasoße und zerriebenen Meerrettich tunkt, waren wohl für alle neu und ungewohnt.
Bei den Getränken kamen sich dann Gastgeber und Gäste aber wohl wieder näher. Obwohl der Reiswein Sake bei den Japanern als das Nationalgetränk gilt, ist Bier mit Abstand am populärsten.
Die beiden weiteren Ziele der Reise waren Yatsuhiro, etwa 100 km südlich von Kumamoto gelegen und die ländliche Region um das vulkanische Aso-Gebirge. Der Unterschied zwischen der reichen Industrie- und Hafenstadt Yatsuhiro mit ihren 100.000 Einwohnern und dem idyllischen Gebirge um den Vulkan Aso hätte kaum größer sein können Der Aso hat den größten Krater der Welt mit 128 km Umfang und besitzt auch heute noch aktive Vulkankegel. Aber nicht nur für den Chor war dieser Teil der Reise besonders beeindruckend, auch für die Menschen in dieser Region war der Besuch der Hersbrucker ein außergewöhnliches Ereignis. Hatten doch manche von ihnen noch nie zuvor Europäer gesehen.
So war diese Reise wohl nicht nur für den Chor, dank der perfekten Organisation der Gastgeber und Karl Schmidt, ein unvergessliches Ereignis.