HERSBRUCK – Was nur bewegt eine solche Menge an Besuchern, bei wirklich scheußlichem Sturm- und Regenwetter die Stadtkirche bis auf den letzten Stehplatz zu besetzen, um geistlichen Gesängen zu lauschen? Das Jahreskonzert des Gospelchors „Sound of Joy“ ist stets ein Garant für ein gut gefülltes Gotteshaus. Sicherheitshalber sagte Kantor Karl Schmidt bereits den Termin für 2013 an. Möglicherweise trifft aber auch die Botschaft der Gospels, mit der die schwarzen Baumwollpflücker vergangener Jahrhunderte ihre Nöte und ihre Sehnsucht nach Beistand und Errettung in eindringliche und zugleich arbeitsfördernde Rhythmen packte, einen Nerv bei uns zivilisationsmüden, zweifelnden und gehetzten Wohlstandsmenschen. Die Suche nach einer Gewissheit ohne das Aussparen der dunklen Seiten des Lebens bewegt auch heute noch. Doch vor allem eint die mitreißende Musik die Generationen im Kirchenraum. Dass die Gesänge des Chores mit unfehlbarer Treffsicherheit und präziser Intonation vorgetragen werden, braucht gar nicht mehr erwähnt zu werden. Noch eindrucksvoller die Inbrunst und Singfreude, die dieser Chor so glaubhaft transportiert und die mühelos auf die Zuhörer überspringt. Beides macht ruhige Balladen von innigem Sehnen wie „Home“ ebenso ansprechend wie schwungvolle und leidenschaftliche Arrangements , die etwa „Healer in the House“ bietet. Kongeniale Unterstützung bieten dabei eine Band und die Bläser, die den Songs noch einmal pointierte Glanzlichter aufsetzen . Komplex und vielstimmig Nur folgerichtig also, dass die 13-köpfige Bläsertruppe auch Gelegenheit für Einzeldarbietungen erhält. Mit viel Tempo und Humor beweist sie, dass „Volks“-Musik, und sei sie auch amerikanischen Ursprungs, alles andere als langweilig sein muss. Teils klingen Tanzbodenelemente an, teils fühlt man sich in eine Zirkusarena versetzt, dann wieder erfreuen Dixieklänge das Ohr, komplex und vielstimmig und dabei in ganz lässigem Gewand. Ebenfalls ein Glücksfall für den engagierten Chor, der 2012 zu einer Konzertreise nach Brasilien aufbrechen wird, sind die Solisten und Solistinnen aus den Reihen der Sänger, die ihre ganze Persönlichkeit in Stimme und Ausdruck einbringen , um den Gospels einen jeweils unverwechselbaren Charakter zu verleihen. Ihr Flehen und ihr Beteuern wird von den Chorsängern aufgegriffen, wiederholt und gesteigert, bis die Botschaft wirklich angekommen ist. All diese Talente und all dieser Einsatz werden gebündelt von einem Kirchenmusikdirektor, der so gar nicht gesetzt wirkt, sondern – ebenso wie seine Musikanten in Jeans und weißem Hemd – mit vollem Körpereinsatz nicht nur die vielschichtigen Darbietungen lenkt und sogar das gesamte Publikum zum traditionellen Mitsinglied animieren kann. Dabei lässt Karl Schmidt nicht locker, bis auch die oberste Empore das „Oh“ im Text lautstark genug und punktgenau zu landen weiß. Spätestens bei den durch begeisterten Beifall eingeforderten Zugaben wird klar, dass die festgeschraubten Kirchenbänke in einem solchen Konzert manchmal nur hinderlich sind . Bei „Joshua fit the Battle of Jericho and the walls come tumblin`down“ fallen die letzten „Mauern“ tatsächlich und die Zuhörer klatschen begeistert mit.
Ute Scharrer / Hersbrucker Zeitung 25.01.2012