Gospel in Siebenbürgen – eine Deutsch-Rumänische Begegnung
Der Gospelchor „Sound of Joy“ der Nikolaus-Selnecker-Kantorei Hersbruck auf Konzertreise in Rumänien und Ungarn
„Sound of Joy“ steht für „Klang der Freude“ und vom 28. August bis 07. September 2015 begeisterte der Chor mit Bläsern und Band unter Leitung von Kirchenmusikdirektor und Dekanatskantor, Karl Schmidt, in fünf Konzerten sein Publikum von Debrecen bis Kronstadt (Brașov). Dabei nehmen die Sängerinnen und Sänger die Erinnerung an viele schöne und ergreifende Momente mit nach Hause, denn sie lernten nicht nur die Länder Rumänien und Ungarn kennen, sondern vor allem die Menschen, die darin leben. Der Gospelchor wurde überall herzlich empfangen und auf seinen sehr gut besuchten Konzerten von einem begeisterten Publikum bejubelt. Neben der völkerverbindenden Kraft der Musik, werden den Teilnehmern der Reise vor allem die Gastfreundschaft der Siebenbürger im Gedächtnis bleiben und ihre Fröhlichkeit, die sie trotz Schicksalsschlägen und einfachster Lebensverhältnisse nicht verlieren. Der Kontakt ins rumänische Siebenbürgen kam über den Hersbrucker Mesner der Stadtkirchengemeinde Martin Markel zustande, der aus Deutsch-Weißkirch stammt und mehrere Jahre als Mesner in der Schwarzen Kirche in Kronstadt tätig war, bevor er vor 20 Jahren zur Hersbrucker Stadtkirchengemeinde kam.
Nach einem Zwischenstopp in Budapest mit Schifffahrt auf der Donau war die erste Station der Konzertreise Debrecen, die zweitgrößte Stadt Ungarns und im Gegensatz zum Rest des Landes evangelisch-reformiert (calvinistisch). Hier wurde der Gospelchor von Kantor Gergö Csorba begrüßt. Im Rahmen der musikalischen Ausgestaltung eines zweisprachigen Jugendgottesdienstes mit dem Thema der völkerverbindenden Kraft der Musik gab Sound of Joy sein erstes Konzert in der Großen Reformierten Kirche Debrecen. Sie ist mit ihren 1.800 Sitzplätzen auf 1.500 m2 Grundfläche die flächenmäßig größte reformierte Kirche Ungarns. Die ca. 300 Besucher waren so begeistert vom Konzert, dass sie den Chor erst nach mehreren Zugaben entließen. Entsprechend herzlich war auch die Begegnung mit den Gottesdienstbesuchern im Anschluss an das Konzert. Der krönende Abschluss eines erlebnisreichen Tages, dem bereits ein Ausflug in den größten zusammenhängendem Nationalpark Ungarns, dem Hortobágy-Nationalpark, der sogenannten Urpuzta, vorangegangen war.
Konzert des Gospelchores Sound of Joy mit Blechbläsern und Band in der Großen Reformierten Kirche Debrecen, der größte reformierten Kirche Ungarns.
Die nächste Station und das eigentlich Ziel der Reise war das siebenbürgische Deutsch-Weißkirch (Viscri) in Rumänien mit seiner imposanten Wehrkirche, Heimatort des Hersbrucker Mesners Martin Markel und UNESCO-Weltkulturerbe. Caroline Fernolend, Kreisrätin des Bezirks Sighisoara, nahm den Gospelchor Sound of Joy herzlich in Empfang und erläuterte den interessierten Gästen die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und des Dorfes sowie die jüngsten Entwicklungen: Die Siebenbürger Sachsen wurden im 12. Jahrhundert vom ungarischen König Stefan Géza II. aus dem Mittelrhein- und Moselgebiet, Flandern und der Wallonie angeworben, um als Siedler für die Bewirtschaftung und Sicherung des Landes zu sorgen. Dafür erhielten sie Ihre Freiheit, eigenes Land und umfangreiche Rechte (eigene Verwaltung, eigene Rechtsprechung), was in den folgenden Jahrhunderten immer wieder urkundlich bestätigt und erweitert wurde. Die irreführende Bezeichnung „Sachsen“ geht dabei auf den lateinischen Begriff Saxones zurück, der zu dieser Zeit für westliche (überwiegend deutsche) Siedler verwendet wurde. Die Siebenbürger Sachsen gründeten Deutsch-Weißkirch bereits im 12. Jahrhundert und lebten dort vorwiegend von der Landwirtschaft, wie noch heute an der Struktur des Dorfes zu erkennen ist. Die imposante Kirchenburg wurde im 13. Jahrhundert ausgebaut und im 14. Jahrhundert gegen die Angriffe der Türken befestigt, doch seit ihrem Bestehen nie eingenommen.
Kutschfahrt durch Deutsch-Weißkirch.
Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Siebenbürger Sachsen jedoch staatlicher Diskriminierung und heftigen Repressionen ausgesetzt, was insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende der 1980 Jahre zu einem regelrechten Exodus, vor allem in die Bundesrepublik Deutschland führte. Durch diesen „Exodus“ erfuhr auch Deutsch-Weißkirch eine entscheidende Zäsur. Von den ca. 700 Einwohnern, hauptsächlich Siebenbürger Sachsen, zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert blieb lediglich ein gutes Dutzend im Dorf zurück. Doch Caroline Fernolend gelang es, das Dorf zu retten und den verbleibenden und neu zugezogenen Bewohnern, vorwiegend Sinti und Roma, eine Perspektive zu geben. Seit 1999 steht Deutsch-Weißkirch mit seiner Wehrkirche als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO und wird sukzessive mit Mitteln aus der Londoner Mihai-Eminescu-Stiftung erhalten. Unterstützt wird die Aktion von Prinz Charles, der neben Peter Maffay, ebenfalls ein Haus im Ort unterhält. In diesem Zug erhielt Deutsch-Weißkirch auch eine eigene biologische Kläranlage und die Häuser wurden an das Abwassersystem angeschlossen.
Neben der Landwirtschaft – Deutsch-Weißkirch hat einen Gemeindehirten, der Rinder, Schafe und Ziegen täglich durch das Dorf auf die Gemeindeweiden und am Abend zurück treibt – leben die Einwohner heute vom Tourismus. Die Einnahmen aus den Übernachtungen, dem Verkauf von Kunsthandwerk und Pferdekutschfahren ermöglichen den Einwohnern ein bescheidenes Auskommen und Caroline ist stolz, dass in Ihrem Dorf, im Gegensatz zum Rest des Landes, lediglich drei Familien auf Sozialleistungen angewiesen sind. Bei der Besichtigung der imposanten Wehrkirche und der anschließenden Fahrt mit Pferdekutschen zu einem Schäfer – mit herzlichen Kontakten zu den Kutschenfahrern der Sinti und Roma des Dorfes – konnte sich der Chor einen Eindruck von Dorf und den Lebensverhältnissen verschaffen. Den größten Eindruck aber hinterließen die herzliche Gastfreundschaft, die exzellente Verpflegung mit traditionellen Siebenbürger Gerichten aus regionalen Erzeugnissen und vor allem die Fröhlichkeit und Zufriedenheit der Menschen, trotz einfachster Lebensverhältnisse.
Von Deutsch-Weißkrich aus unternahm der Chor einen Ausflug ins nahegelegene Schäßburg (Sighișoara), das ebenfalls UNESCO Weltkulturerbe ist. Schäßburg wurde ebenfalls im 12. Jahrhundert von Siebenbürger Sachsen gegründet, konnte aber trotz der Auswanderungswelle seinen multikulturellen Charakter beibehalten: Ortstafeln und touristische Informationen sind in Rumänisch, Deutsch und Ungarisch beschriftet. Darüber hinaus gibt es dort ein deutsches Gymnasium, das Josef-Haltrich-Lyzeum, die renommierte Bergschule Schäßburg, mit ihrer berühmten Schülertreppe, wo auch Mesner Markel zur Schule ging. Die Schule bildet neben der Bergkirche mit dem deutschen Friedhof und dem Stundenturm eines der Wahrzeichen der Stadt. Das mittelalterliche Stadtzentrum umgeben von starken Mauern und Verteidigungstürmen ist sehr gut erhalten. Ihm verdankt Schäßburg auch die Bezeichnung als das „Rothenburg Rumäniens“. Mitten auf dem Marktplatz gab „Sound of Joy“ ein Open-Air-Konzert, das von Touristen und Einheimischen mit Begeisterung angenommen wurde. Nach einer Stadtführung ging es für den Chor dann weiter ins benachbarte Keisd (Saschiz), wo „Sound of Joy“ in der evangelischen Kirche aus dem Jahr 1496 ein weiteres Konzert vor einem freudigen Publikum gab. Beim anschließenden Empfang mit regionalen Spezialitäten auf Einladung der Fundatia Adept Transilvania hatten die Sängerinnen und Sänger viel Gelegenheit mit den enthusiastischen und meist jugendlichen Konzertbesuchern ins Gespräch zu kommen.
Open-Air-Konzert des Gopelchors Sound of Joy mit Blechbläsern und Band auf dem Marktplatz in Schäßburg, dem „Rothenburg Siebenbürgens“.
Mit einem fröhlichen Begegnungsabend ging der für alle bewegende Aufenthalt in Deutsch-Weißkirch zu Ende. Sehr viele Bewohner des Dorfes, Rumänen und Siebenbüger Sachsen und auch die Pferdekutschenfahrer der Sinti und Roma waren mit ihren Familien gekommen und machten den Abend zu einem unvergesslichen, interkulturellen Erlebnis. Nach der Vorführung einer rumänischen Tanz- und Musikgruppe gab „Sound of Joy“ gemeinsam mit Band und Blechbläsern eine Auswahl seiner weltlichen Stücke von YMCA bis zum Dance Medley zum Besten. Das begeisterte Publikum ließ sich nicht lange bitten und tanzte mit. Im Anschluss an das Konzert wurde dann gemeinsam und ausgelassen weitergetanzt und die Sängerinnen und Sänger hatten Gelegenheit sich an den traditionell rumänischen Tänzen zu beteiligen. So ermöglichte die verbindende Kraft der Musik eine fröhliche und wunderbare herzliche Begegnung.
Der Gospelchor SoJ beim gemeinsamen Tanz auf dem Begegnungsabend in Deutsch-Weißkirch.
Schweren Herzens ließ der Gospelchor Deutsch-Weißkirch hinter sich und setzte am nächsten Tag seine Reise fort, über Reps (Rupea) mit seiner Burgruine aus dem 11. Jahrhundert nach Wolkendorf (Vulcan). Von dort aus ging es gleich weiter nach Kronstadt (Brașov), eine der größte Städte Rumäniens, um nach einer kurzen Stadtführung das wichtigste Konzert der Reise in der berühmten Schwarzen Kirche zu geben, dem bedeutendsten gotischen Kirchenbau Siebenbürgens und Südosteuropas. Aber nicht die Örtlichkeit, sondern der Anlass machten das Konzert für alle Beteiligten zu einer Herzensangelegenheit: Die Einnahmen dieses Benefizkonzerts kamen dem Kronstädter Hospiz „Casa Sperantei“ zu Gute, dessen Mitarbeiter Menschen – auch viele Kinder – und deren Angehörige aus dem ganzen Land auf ihren schweren Weg bis zum Tod und darüber hinaus begleiten. Die Hospizinitiative finanziert ihre Arbeit ausschließlich aus Spendengeldern und bietet den betroffenen Familien seine Leistungen kostenlos an. Das Konzert des Gospelchores „Sound of Joy“ war hervorragend besucht. Hospizleiterin Malina Dumitrescu freute sich sehr über die Spendenbereitschaft des begeisterten Publikums und die Einnahmen in Höhe von umgerechnet über 1.000 EUR, was bei dem rumänischen Durchschnittsverdienst von ca. 300 € pro Monat eine beachtliche Summe darstellt. Auch der Kantor der Schwarzen Kirche, Steffen Schlandt, sprach dem Chor sichtlich angetan seinen Dank aus und war beeindruckt vom tollen Niveau des Chores. Der Hersbrucker Kantor lud Steffen Schlandt und seinen berühmten Jugendbachchor Kronstadt zu einem Gegenbesuch eventuell im Sommer 2016 nach Franken ein.
Benefizkonzert des Gospelchores Sound of Joy mit Blechbläsern und Band für das Hospiz „Casa Sperantei“ in der Schwarzen Kirche in Kronstadt, dem bedeutendsten gotischen Kirchenbau Südosteuropas.
Warum Siebenbürgen auch den Namen Transsilvanien, übersetzt „Das Land hinter dem Wald“ (trans= hinter, silva= Wald) trägt, wurde den Reiseteilnehmern beim einem Ausflug in den Nationalpark Südkarpaten klar, dessen ausgedehnte Wälder noch Bären und Wölfe beherbergen. Hier konnte die Gruppe wahlweise durch die unberührte Natur des Nationalparks mit seinen über 2000 m hohen Bergen wandern oder das berühmte Schloss Bran besichtigen, in dem Vlad der Pfähler gelebt haben soll, der Bram Stoker zu seinem berühmten Roman Dracula inspirierte. Nach eindrucksvollen und erlebnisreichen Tagen reiste der Chor über Budapest und das österreichische Benediktinerkloster Stift Melk wieder zurück in die Heimat.
Das „Dracula-Schloss“ Bran in Transsilvanien.
Ein inspirierendes Erlebnis und eine einzigartige Reise ging für „Sound of Joy“ zu Ende, bei der der Chor durch den Bayerischen Musikrat, den Kreisjugendring Nürnberger Land, die Stadt Hersbruck, die Kirchengemeinde der Stadtkirche Hersbruck, das Dekanat Hersbruck, die Raiffeisenbank Hersbruck, die Firma Dauphin Offenhausen und den Freundeskreis der Selneckerkantorei finanziell unterstützt wurde. Der Chor sagt dafür herzlichen Dank!
Saskia Reiß, Julia Hartmann